Warsteiner Elftklässler des Europa-Gymnasiums besuchten Gedenkstätte Buchenwald
„Dort drüben wohnte Kommandant Karl Koch mit seiner Familie“, erklärt Bildungsreferentin Pamela Castillo Feuchtmann und deutet auf die Ruinen eines größeren Hauses, vielleicht sogar einer Villa. „Er führte hier im Grünen ein ganz normales Familienleben, während er 500 Meter entfernt für das qualvolle Leiden und den Tod tausender Menschen verantwortlich war“, fährt sie fort. Wo heute mächtige Kastanienbäume unscheinbar die breite Straße überragen, spielte sich in der NS-Zeit mit dem Holocaust das größte Verbrechen in der deutschen Geschichte ab. Allein im Konzentrationslager Buchenwald, das von 1937 bis 1945 existierte, wurden insgesamt über eine Viertelmillion Menschen aus über 50 Ländern, hauptsächlich Männer, interniert, 56 000 verloren ihr Leben.
Für 45 Warsteiner Gymnasiasten der Stufe Q1 und zwei Betreuungslehrer, die vom vergangenen Mittwoch bis Freitag die Gedenkstätte des Konzentrationslagers Buchenwald im thüringischen Weimar unter den 3G-Bedingungen besuchten, ging es darum, die Geschichte sichtbar werden zu lassen und einige reichhaltige Erfahrungen zu machen. Auf dem Programm der Gruppe, die in den ehemaligen Kasernen der SS-Offiziere, der heutigen Jugendbegegnungsstätte, untergebracht war, stand neben der umfassenden Besichtigung des ehemaligen Häftlingslagers auch die Betrachtung der Nutzung des Geländes als sowjetisches Speziallager und die Darstellung des Holocaust zu DDR-Zeiten.
Unfassbares Doppelleben
Eingeteilt in vier Kleingruppen und jeweils von einem pädagogischen Mitarbeiter der Gedenkstätte begleitet, wurde den Elftklässlern bei unterschiedlichen Erkundungstouren schnell die gewaltige Dimension des Geländes deutlich: Neben dem an die SS-Kasernen angrenzenden Bahnhof und den Rüstungswerken, die der Waffenherstellung dienten, grenzte auch ein Steinbruch, in dem die Häftlinge, zum Großteil Juden, Sinti und Roma, sogenannte „Assoziale“ oder politische Gegner der NS-Diktatur, unter unmenschlichen Bedingungen arbeiten mussten, an das Lagergelände. Für viele Schüler besonders schockierend war, dass in der naheliegenden SS-Führersiedlung, dem „Falkenhof“ und einem speziell für die Aufseher errichtetem Zoo diese ein unfassbares Doppelleben führten. Obwohl ein Großteil der Bauten zerstört wurde und meistens nur noch die Grundmauern vorhanden waren, überkam vielen Schülern beim Betreten des ehemaligen Häftlingslagers ein mulmiges Gefühl. Auf dem Appellplatz, direkt vor dem mächtigem Lagertor mit der von den Nationalsozialisten missbrauchten Inschrift „Jedem das Seine“, wo die Häftlinge zur NS-Zeit meist stundenlang unter unwürdigen Voraussetzungen ausharren mussten und in überfüllten Barracken mit miserabler hygienischer und genereller Versorgung lebten, erinnert eine große Stahlplatte, symbolisch auf Körpertemperatur beheizt, an das Schicksal der Inhaftierten.
Nach der Besichtigung des Krematoriums, welches noch größtenteils im Originalzustand erhalten war, sowie dem Besuch der Ausstellung im Museum im Kammergebäude auf dem Lagergelände, fassten die Schüler ihre Eindrücke zusammen. „Ich finde diese Verbrechen schrecklich und überhaupt nicht nachvollziehbar“, so der 16-jährige Malte Bittner. „Wenn man dieses Gelände betritt, wird einem erstmal die ganze Dimension deutlich.“ Ein weiterer Schüler ergänzte: „Es ist schockierend, dass sich direkt nebenan ein Zoo und Freizeitgarten für die SS-Leute befand, währenddessen nebenan 56 000 Menschen auf die grauenvollste Weise ums Leben kamen.“ Der Warsteiner Ben Mette fügte hinzu: „Ich finde es einfach verstörend.“
Aus Geschichte lernen
Auch nach 1945, dem Jahr der Befreiung des Lagers durch die amerikanischen Truppen, wurde das Gelände am sogenannten Ettersberg weiter genutzt. Als „Speziallager Nr.2“ in der sowjetischen Besatzungszone wurden bis 1950 abermals viele politische Gegner und frühere Nationalsozialisten interniert. In der DDR wurde das Gebiet daraufhin als Mahn- und Gedenkstätte aufbereitet und im wiedervereinigten Deutschland übernommen, ein mächtiges Mahnmal mit Glockenturm im sozialistischen Baustil, welches von der Gruppe aus Warstein am letzten Tag besichtigt wurde, erinnert heute noch an die wechselnde Vergangenheit des Ortes.
Mit vielen Informationen, zahlreichen Eindrücken und dem Bewusstsein, viel gelernt zu haben, trat die 47-köpfige Gruppe am Freitag schließlich die Heimreise an, mit dabei unter anderem der Appell der Betreuer, die Erinnerung an die schrecklichen Verbrechen wachzuhalten und aus der Geschichte zu lernen.
David Hein, Q1
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