„Bin ich gut genug für die Oberstufe?“

Veröffentlicht am 1. Februar 2022

Wer als Schülerin oder Schüler der Sekundarschule den Q-Vermerk auf dem Abschlusszeugnis hat, darf aufs Gymnasium wechseln. Doch mitunter ist die Schwellenangst groß, wie nicht nur die Kollegien beider Bildungseinrichtungen festgestellt haben, sondern auch Nico Schüth. Er war Schüler an der Sekundarschule in Belecke, erreichte die Qualifikation für die gymnasiale Oberstufe und wechselte zum Europa-Gymnasium Warstein. Aktuell besucht er die Stufe Q1 und hat einen Erfahrungsbericht geschrieben, um anderen Schülerinnen und Schülern Ängste zu nehmen und mit Vorurteilen aufzuräumen.

Liebe Zehntklässler*innen der Sekundarschule, ich möchte Euch in einem Beitrag zur heutigen Ausgabe dieser Zeitung schildern, wie ich die Zeit des Übergangs in die Oberstufe des Europa-Gymnasiums erlebt habe. Der Anlass hierfür ist die Beobachtung, dass einige von Euch und Eure Eltern Vorbehalte gegenüber genau diesem Wechsel haben. Denn möglicherweise meint Ihr, Ihr wärt schulisch unzulänglich vorbereitet oder würdet Euch auf der neuen Schule nicht besonders gut zurechtfinden, da Eure zukünftigen Mitschüler*innen bereits an das neue Umfeld gewöhnt seien – insbesondere an Lehrer*innen und andere nicht unwichtige Dinge wie etwa bestimmte Regelungen und die Schulordnung. Jedenfalls hoffe ich, mit der Schilderung meiner Erfahrungen denjenigen unter Euch die genannten Bedenken und Ängste zu nehmen, welche durchaus das Potenzial haben, um ihr Abitur an einem Gymnasium zu bestehen und denen durch bestimmte Vorbehalte solche schulischen und beruflichen Chancen genommen werden könnten.

Zuerst einmal sollte ich mich und meine bisherige Schullaufbahn einmal vorstellen, damit Ihr wisst, aus welcher Perspektive diese Erfahrungen geäußert werden und worüber ich mich möglicherweise nur schwer äußern kann. Mein Name ist Nico Schüth und ich besuchte von 2014 bis 2020 die Sekundarschule der Stadt Warstein, die ich mit einer Fachoberschulreife (FOR) mit Qualifikation für die gymnasiale Oberstufe abschloss. Seit der 8. Klasse habe ich Spanisch als zweite Fremdsprache belegt. Seit 2020 bin ich in der Oberstufe des Europa-Gymnasiums in Warstein und bin nun Schüler der Stufe Q1.

Bereits in der Sekundarschule gab es einige Gelegenheiten für mich, über den Ablauf der Oberstufe, die genauen Voraussetzungen für den Übergang und etwaige Anmeldungsfristen informiert zu werden. So war die erste Begegnung mit der ganzen Thematik für mich z. B. eine Infoveranstaltung in der Aula des Gymnasiums, die wir – also alle, die in unserem damaligen Jahrgang interessiert waren, es war keine Pflichtveranstaltung – in Begleitung von unseren damaligen Lehrern besucht haben. Zunächst wurde uns dort von Herrn Schröder – dem Oberstufenkoordinator des Gymnasiums – der Verlauf der gymnasialen Oberstufe erklärt, wobei ein besonderer Fokus auf unsere Situation als Sekundarschüler und auf das erste Jahr nach dem Wechsel gelegt wurde – die sogenannte Einführungsphase (EF). Danach wurden wir in kleine Gruppen eingeteilt und hatten die Gelegenheit, mit jeweils einer Lehrkraft der für uns neuen Fächer in der Oberstufe zu sprechen – also Sozialwissenschaften, Erziehungswissenschaften, Physik, Informatik (und für andere auch Spanisch als neueinsetzende Fremdsprache) – um Genaueres über Inhalt und Ablauf des Unterrichts zu erfahren. Dies war für mich besonders interessant und eine große Hilfe, da ich mich bei dieser Gelegenheit schon mit Lehrern und Lehrerinnen vertraut machen konnte, bei denen ich dann später in der EF zum Großteil Unterricht hatte, was natürlich sehr dazu beiträgt, sich besser einzuleben. Außerdem konnte ich das zweite Betriebspraktikum, welches normalerweise in der 10. Klasse der Sekundarschule stattfindet, durch eine Hospitation in der EF ersetzen, was auch für alle, die sowieso keine Ausbildung o. Ä. nach ihrer FOR anstreben, sinnvoller erscheint. Dort konnte ich mir dann einen Eindruck von solch gewöhnungsbedürftigen Dingen wie Unterricht ohne „normale“ Klassen und die Wahl von Kursen verschaffen, was jedem nur zu empfehlen ist, um sich nach dem Schulwechsel besser zurechtzufinden. Ein weiteres Info-Angebot ist der Tag der offenen Tür, der sowohl für die Schülerinnen und Schüler der Grundschulen, als auch für Euch stattfindet; er bietet die Gelegenheit, sich mit bestimmten Vorgaben für die Fächerwahl vertraut zu machen und sich mit anderen ehemaligen Sekundarschüler*innen auszutauschen.

Kommen wir nun zu einer Frage, die wohl die meisten von Euch bewegt: Bin ich schulisch gut genug für die Oberstufe oder bin ich nicht gut genug vorbereitet worden? Natürlich ist die erste Frage sehr individuell zu entscheiden, aber die zweite würde ich durchaus bejahen. Prinzipiell muss gesagt werden, dass das Unterrichtsniveau am Gymnasium höher ist und gute Noten ein relativ hohes Engagement erfordern. Besonders eindrucksvoll wird dies an den Unterschieden zwischen den Zentralen Abschlussprüfungen nach der EF, bzw. nach der 10. Klasse deutlich, welche relative große Diskrepanzen in Bezug auf den abgefragten Unterrichtsstoff haben; diese müssen übrigens nach Beendigung der EF auch von Euch wiederholt werden, was aber nicht bedeutet, dass dadurch der schon durch Euch erworbene Realschulabschluss gefährdet wird. Wer dieses Engagement allerdings mitbringt, kann meines Erachtens in den meisten Fällen gut auf sein Wissen aus der Mittelstufe aufbauen und, wenn nötig, auch Unterstützungsangebote des Gymnasiums in Anspruch nehmen, wie beispielsweise Ergänzungsunterricht in der EF, oder aber ganz neue Fächer wie Philosophie für sich entdecken. Von besonderem Interesse ist möglicherweise für Euch auch die Art, mit der der in der 8. Klasse angefangene Spanischunterricht fortgeführt werden kann. Da unser Gymnasium nämlich normalerweise keinen fortgeführten Spanischunterricht anbietet, musste ich in der EF am Unterricht der Stufe über mir teilnehmen, was allerdings gut funktioniert hat; ich konnte dann ausgezeichnet an den Unterrichtsstoff der Q1 anknüpfen, da ich zwei Jahre mehr Übung, aber den gleichen Unterrichtsstoff durchgenommen hatte.

Des Weiteren konnte ich mich generell gut einleben, auch sozial gesehen. Man könnte vielleicht meinen, dass man nach so einem Schulwechsel bei Mitschülern und Mitschülerinnen schlecht Anschluss finden könne, da diese sich untereinander besser kennen und lieber „unter sich“ bleiben würden. Dies ist aber nicht so; mein Eindruck ist eher, dass die neuen Mitschüler*innen dann andere aus ihren Parallelklassen, die dann in ihren Kursen sind, noch nicht so gut kennen und dann auch aufgeschlossener sind, was neue Kontakte für Euch, die die Schule gewechselt haben, erleichtert. Auch die Lehrerinnen und Lehrer sind meiner bisherigen Erfahrung nach sehr locker und sympathisch und bemühen sich größtenteils herauszufinden, welchen Lernstand man als Sekundarschüler hat. Sie versuchen dann, auch Unterstützung anzubieten und sind offen für Fragen.

In diesem Sinne möchte ich also hervorheben, dass Ängste von zukünftigen Oberstufenschülerinnen und -schülern in Bezug auf den Übergang größtenteils unbegründet sind; allerdings müssen diese sich natürlich auch anstrengen und zur Not Unterstützungsangebote wahrnehmen, um erfolgreich zu sein. Für mich jedenfalls war der Übergang relativ angenehm.

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