Von der Idee zum Denkmal
Mehr als 150 Jahre Höhere Bildung in Warstein – die Entwicklung des Denkmals
Das Denkmal für die Höhere Bildung in Warstein wurde im Mues + Schrewe-Team mit dem Künstler Robert Pasitka, dem Innenarchitekten und Gestalter im Handwerk, Torsten Cramer, und dem Designer Bernd Schrewe entwickelt.
Neben verschiedenen konzeptionellen Ansätzen und Ideen, wie z. B. eines Nachbaus architektonischer Zitate des alten Gebäudes oder einer Lichtinstallation des Gebäudegrundrisses am Standort oder einer dreidimensionalen Rekonstruktion der Schule als Hologramm aber auch der Installation von Schulbänken auf dem Dr.-Segin-Platz, gewann eine andere Grundidee die Zustimmung der Auftraggeber: die Rückbesinnung auf die griechischen Ursprünge des Bildungsortes Gymnasium.
Neben Sport ist auch die Mathematik als Teil der damaligen Philosophie eines der Grundpfeiler des antiken Gymnasions. Einer der grundlegendsten und bekanntesten Grundsätze der Geometrie ist der Satz des griechischen Gelehrten Pythagoras:
– ein Lehrsatz der Geometrie über das rechtwinklige Dreieck, das jede Gymnasiastin und jeder Gymnasiast kennt. Dieser Grundsatz diente als Ausgangspunkt für die Entwicklung des Denkmals.
Eine weitere große Entdeckung der Antike ist der Goldene Schnitt. Im Goldenen Schnitt stehen zwei Teile eines Ganzen in einem besonderen Verhältnis: Die kürzere Teilstrecke verhält sich zur längere, wie die längere Teilstrecke zur gesamten Strecke.
Für das Denkmal bildet ein rechtwinkliges Dreieck, dessen beide kürzere Seiten a und b im Verhältnis des Goldenen Schnitts im Maßstab von 8 zu 5 zueinander stehen, die Ausgangsform.
Beim Denkmal wird diese Grundform drei Mal in einer Vergrößerung im gleichen Algorithmus wiederholt. Die mittelgroße Fläche wird mit der kleinen Fläche
der daran anknüpfenden nächsten Form verbunden.
So entsteht ein fraktales Wachstum. Die Fraktale – eine moderne Entdeckung des Mathematikers Benoît Mandelbrot – schließen den Gedankenkreis von der Antike zur Gegenwart. Fraktale sind Objekte, bei denen das Ganze seinen Bestandteilen ähnelt. Durch Wiederholung einer Form entsteht das Ganze. So findet man im Makrokosmos den Mikrokosmos wieder. Fraktale sind in der Natur z. B. bei Bäumen oder Schneekristallen zu beobachten, aber auch bei Galaxien im Universum. So entstand eine zweidimensionale geometrische Form von drei aufeinanderfolgenden gleichaussehenden und wachsenden Fraktalen.
Im nächsten Schritt wird der Raum durch das Falten dieser geometrischen Fläche definiert. Die geometrische Fraktalfläche wird damit zum 3D-Objekt. Aus der zweidimensionalen Welt der Mathematik wächst eine räumliche dreidimensionale Geometrie. Das Denkmal erhält seine entgültige Form. Aus einer einfachen Grundform entwickelt sich ein komplexes Gebilde, in dem die Grundform erkennbar bleibt und damit das Wachsen des Wissens im Bildungsprozess symbolisiert.
Damit kommen wir zur „Höheren Bildung“. Nie war sie wichtiger als in diesen Tagen:
- sie lehrt uns, uns unseres Verstande zu bedienen,
- sie hilft uns, das Wahre vom Falschen zu unterscheiden,
- sie befähigt uns, uns eine eigene Meinung zu bilden und nicht auf die zu hören, die meinen,
sie wüssten, was richtig und was falsch ist.
Das faszinierende am Satz des Pythagoras ist seine Einfachheit und seine Klarheit. Man kann ihn nicht infrage stellen. Er ist immun gegen sogenannte alternative Fakten.
Von der österreichischne Schriftstellerin Marie von Ebner-Eschenbach stammt der Satz: „Wer nichts weiß, muss alles glauben.“ Davor bewahrt uns die Bildung und damit wir das nie vergessen, errichten wir ihr hier ein Denkmal.
ANHANG I – Infotafel zum Denkmal
Deum cole, litteris stude, amicos fove!
Ehre Gott, studiere die Wissenschaften, wertschätze die Freunde. Schulinschrift seit 1869.
1869 richtete die Stadt Höhere Bildung für ihre Jugend ein und konnte 1874 an dieser Stelle ihre Höhere Stadtschule einweihen. Bis zu ihrem bedauernswerten Abbruch 1975 waren hier in Folge die Klassen einer Höheren Stadtschule, einer Rektoratsschule, einer Höheren Töchterschule und eines Progymnasiums zu Hause. Heute steht das Europa-Gymnasium der Stadt im nördlichen Teil Warsteins.
ANHANG II – rechtwinkliger Dreieck im Goldenen Schnitt
Die Grundform ist ein rechtwinkliges Dreieck nach Pythagoras, welches im Goldenen Schnitt (8:5) angelegt wurde.
ANHANG III – Fraktalentwicklung
Das im Goldenen Schnitt angelegte, rechtwinklige Dreieck nach Pythagoras wächst mit den zugehörigen Quadraten dreifach im gleichen Algorithmus als Fraktal.
ANHANG IV – Faltung der Fraktalfläche
Ansicht aus einem Blickwinkel von 90° nach Faltung der Grundform (inkl. Materialstärke) in den Raum. Die Faltung der Fläche definiert den Raum. Die geometrische Fraktalfläche wird zum 3D-Objekt. Aus der zweidimensionalen Welt der Mathematik wächst eine räumliche dreidimensionale Geometrie.
ANHANG IV – Ansicht des Blechmodells
Die Faltung der fraktalen 2D-Grundform definiert den Raum.