Viel anzuzeigen hatte die Sonnenuhr am Haus Kupferhammer in den vergangenen drei Sommern. Zum Glück bringt Regen gerade Entspannung nach dem erneut viel zu heißen August. Auch Langzeit-Beobachtungen lassen keinen Zweifel, dass wir mitten in Klima-Veränderungen stecken. Am Dienstag soll diskutiert werden, was man vor Ort tun kann, um den Prozess zu verlangsamen. Zu den Initiatoren gehören das Europa-Gymnasium (rechts Bernd Belecke, 3.v.l. Ann-Kristin Schulte) die Eine-Welt-Gruppe Belecke (2.v.r. Birgit Kussmann), weitere Interessenten wie Matthias De Angelis (2.v.r.) und Christian Kroll-Fiedler (3.v.r.). Reinhold Großelohmann vom Anzeiger unterstützt die Veranstaltung als Moderator. Foto: Christian Clewing
Auf lokaler Ebene mehr für Klimaschutz tun / Debatte am Dienstag
Warstein – Auch wenn es in Warstein keine Fridays-for-future-Bewegung gab und gibt: In der Bevölkerung – und nicht nur bei den Jüngeren – wächst das Bewusstsein dafür, dass auch vor Ort in Warstein auf die Klima-Krise reagiert werden muss. Umso mehr, als die Stadt bereits vor mehr als drei Jahren den Klimanotstand ganz formell per Ratsbeschluss ausgerufen hat. Was konkret getan werden könnte oder was für die Zukunft in die Wege geleitet werden müsste, das wird in Warstein derzeit nur in einer internen Arbeitsgruppe diskutiert. Das Europa-Gymnasium und die Eine-Welt-Gruppe mit Unterstützung durch eine Gruppe von Interessierten, die aus verschiedenen Warsteiner Ortschaften kommen, haben sich als Initiatoren zusammengetan, um Bewegung in die lokale Klima-Thematik zu bringen. Dies soll mit einer öffentlichen Informations- und Diskussionsveranstaltung geschehen, zu der alle interessierten Bürgerinnen und Bürger am Dienstag, 20. September, um 19.15 Uhr ins Forum des Gymnasiums am Schorenweg eingeladen. Als Unterstützer der Aktion übernimmt Anzeiger-Redaktionsleiter Reinhold Großelohman die Moderation.
Drei Expertenvorträge sollen Grundlage für eine Diskussion bilden, an der sich gern alle Anwesenden beteiligen dürfen. Der Soester Klimafolgenforscher Dr. Udo Engelhardt berichtet über den aktuellen, besorgniserregenenden Statusbericht des Weltklimarates. Dr. Fabian Humpert, Klimaschutzmanager der Stadt Verl, wird Beispiele aus seiner Stadt anführen und schildern, wie man sich in Verl auf den Weg zu mehr Klimaschutz begeben hat. Was dazu bereits in der Stadt Warstein passiert ist und welche Pläne es für die Zukunft gibt, das erläutert Warsteins Bürgermeister Dr. Thomas Schöne.
Der Vortrag von Dr. Udo Engelhardt stellt die komplexen Verknüpfungen globaler Ereignisse dar und zeigt deren Relevanz für die zu erwartenden klimatischen Entwicklungen in Europa und in Deutschland. Für Engelhardt hat der neue Rekordhitzesommer 2022 erneut bestätigt, dass die Klimakrise „weiter ungebremst eskaliert“. Die weltweite Ausbreitung und Häufigkeit von Extremwetterereignissen, wie Dürren, Überflutungen und Stürmen, habe eine noch nie dagewesene Dimension und Intensität erreicht. Daraus resultierendes menschliches Leid und ökologische Zerstörung nähmen global zu und das in einem Maße, welches die Prognosen der Wissenschaft sogar noch überschreitet. Engelhardt: „Klimatische Kipp-Punkte geraten immer mehr ins Wanken. Unsere Lebensgrundlagen, wie die Wasser- und Nahrungsmittel-Versorgung sind zunehmend gefährdet – das Klima-Endspiel hat begonnen!“ Nur das Bedienen der großen Stellschrauben könne das Klima jetzt noch stabilisieren und das Überschreiten kritischer Kipp-Punkte noch vermeiden. Was genau diese großen Stellschrauben sind und was wir jetzt nicht nur tun können, sondern und auch tun müssen, will er in seinem Vortrag erklären. „Wir wissen was zu tun ist, um im Klima-Endspiel zu bestehen – es ist Zeit zu handeln!“
Dr. Fabian Humpert versteht sich als Verls Klimaschutzmanager in Klimaschutzbelangen als die zentrale Anlaufstelle für die Stadtverwaltung, aber auch für die Bürger. Daher betreibt er aktiv Öffentlichkeitsarbeit, um für den Klimaschutz zu sensibilisieren. Er sieht die Energiewende als ebenso wichtig an wie die Verkehrswende. Seine Erfahrung bei der Aktivierung der Bürger erläuterte er in einem veröffentlichten Interview: „Viele sind total überfordert, wenn es um Themen des Klimaschutzes geht. Von außen bekommen wir immer nur herangetragen, dass Klimaschutz Verzicht bedeutet. Das überfordert die Menschen. Wir müssen Lösungen aufzeigen und ihnen die Angst vor den Themen nehmen. Natürlich hat jeder eine persönliche Verantwortung, aber wir dürfen uns davon nicht überwältigen lassen.“ Hier sieht er eine ganz wichtige Aufgabe für eine Behörde wie die Stadtverwaltung.
„Ich muss als Vorreiter voran gehen und darauf achten, dass die Stadt ihrer Vorbildfunktion nachkommt.“ Dabei geht es für den Einzelnen auch um Fragen wie „Wie ernähre ich mich gesund?“ Dr. Humpert: „Indem man weniger Fleisch esse und mich regional und saisonal ernähre. Beim Sport ist es ähnlich: Wenn ich mich mehr auf das Fahrrad setze anstatt ins Auto, tue ich gleichzeitig etwas für meine Gesundheit. So überwindet man nicht nur den Schweinehund, sondern tut auch etwas für das Klima. Man muss von dem Gedanken wegkommen, dass Klimaschutz nur Verzicht bedeutet.“ Dabei sieht er auch die sozialen Aspekte, die Klimaschutz aus Kostengründen oft schwierig machen. Dr. Humpert: „Da müssen Regelungen von oben kommen, die entsprechende Bedingungen schaffen, damit es lukrativ wird, sich klimaschonend zu verhalten. Aber auch bei zahlungskräftigen Konsumenten muss ein Umdenken stattfinden. Muss ich mir wirklich einen SUV kaufen, um meine Kinder zur Schule zu fahren? Oder betreibe ich sogar lieber Car-Sharing?“
Bürgermeister Dr. Thomas Schöne wird auf den hohen Stellenwert hinweisen, den der Klima- und Naturschutz in der Stadt Warstein einnimmt – nicht erst seit Ausrufen des Klimanotstandes im Jahr 2019. Um die Entwicklungen zusätzlich voranzutreiben, hat die Stadt Warstein den „Runden Tisch Klima- und Naturschutz“ aber auch den Arbeitskreis „Fahrradfreundliche Stadt Warstein“ ins Leben gerufen. Hier werden Ideen und Anregungen von Institutionen, aus der Bürgerschaft, Politik und Verwaltung gesammelt. Eine lange Maßnahmenliste soll nach und nach umgesetzt werden. Gern verweist Dr. Schöne darauf, dass Warstein die Stadt mit der höchsten Dichte an Ladesäulen für E-Autos in Deutschland ist – allein bezogen auf die Einwohnerzahl. Formell findet sich die Zuständigkeit für Klima-Themen auf der Agenda des wichtigsten städtischen Ausschusses, der seit Beginn der Legislaturperiode nunmehr „Haupt-, Finanz- und Klimaausschuss“ heißt. Die Einstellung eines hauptamtlichen Klimamanagers für die Stadt Warstein wurde mehrfach diskutiert, ist aus Sicht des Bürgermeisters und der Mehrheit des Rates aber nicht finanzierbar.
Einladung
Zur Diskussion am Dienstag, 19.15 Uhr, im Forum des Europa-Gymnasiums sind alle herzlich eingeladen.
Warsteiner Anzeiger, 17.09.2022