Von Idealbildern und Problemzonen

Veröffentlicht am 11. Februar 2019

Neuntklässler des Gymnasiums im Projekt „Mädchenwelten – Jungenwelten“

„Das war das erste Mal, dass ein Mädchen gesagt hat, dass sie absolut alles an ihrem Körper mag. Das war richtig toll“, erzählte Erzieherin Olga Tropmann, Teamerin beim „Mädchenwelten“- Projekt des Europa-Gymnasiums, ihren Kolleginnen gestern erfreut von einer positiven Erfahrung in einer Kleingruppe:
Im Warsteiner Paulushaus verbringen derzeit 45 Neuntklässlerinnen des Europagymnasiums mit ihren neun Teamerinnen eine Woche fern des Schulalltags.
Während des „Mädchenwelten“- Projektes widmen die Schülerinnen sich allem, was sie im Alltag abseits der Schule beschäftigt: Gestern Vormittag ging es um Schönheitsideale und die Wahrnehmung des eigenen Körpers. Dazu sollten die Mädchen ihre Umrisse zeichnen und die Stellen kennzeichnen, die sie an ihrem Körper ganz besonders oder gar nicht mögen.
Anschließend bekamen die in der Regel recht selbstkritischen jungen Frauen dazu ein Feedback der anderen Teilnehmerinnen – die die Person meist viel positiver wahrnahmen – und bekamen eine „Komplimentekarte“ ausgehändigt. „Die können die Mädels sich immer wieder durchlesen, wenn es ihnen mal nicht gut geht“ erklärte Sozialarbeiterin und Teamerin Christina Müller.
Am Montag waren die vier Projekttage mit dem Thema „Frauen lernen Frauen kennen“ gestartet und die Mädchen hatten ihre Lebensentwürfe präsentiert und diskutiert, am Dienstag hatte sich
alles um die Kommunikation untereinander gedreht und zu diesem Anlass hatten die Mädchen auch jeweils einen Brief an die Jungs geschrieben, die sich parallel im Warsteiner Jugendtreff in der alten Liobaschule aufhalten und ebenfalls Briefe an ihre Mitschülerinnen verfassten.
Des Weiteren zeichneten die Jungs dort in den vergangenen Tagen ihr Idealbild eines perfekten Mannes und notierten Charaktereigenschaften sowie Verhaltensweisen, die ihnen an einem Mann
wichtig sind. Im Anschluss befragten sie erwachsene Männer in der Stadt, ob diese ihren Idealen zustimmen würden – wobei sich herausstellte, dass die Vorstellungen der Erwachsenen von den teils durch Klischees geprägten Bildern der Jungen stark abweichen. Aber auch innere Werte waren für die heranwachsenden Männer von großer Bedeutung: Ehrlichkeit, Humor, und die Eigenschaft, sich den Mädchen nicht zu verschließen, sondern offen und „normal“ mit ihnen umzugehen.
Außerdem widmeten sich die 27 Jungen mit ihren Lehrern und externen Teamern aus dem sozialpädagogischen Bereich den Themen „Soziale Medien“ oder „Familie und Freundeskreis“ und auch die Suchtprävention spielte in dieser Woche eine wichtige Rolle. Heute geht das Projekt bei Mädchen und Jungen schließlich mit dem Thema „Freundschaft, Liebe und Sexualität“ zu Ende, bevor für alle Neuntklässler des Gymnasiums am Freitag wieder der Schulalltag startet.
„Während des Projektes brechen wir die Klassenstrukturen auf“, sprach Lehrerin Dagmar Wiethoff einen weiteren Nutzen der „Mädchenwelten – Jungenwelten“ an: Im kommenden Schuljahr starten die Schülerinnen und Schüler in die Oberstufe und lernen während des Projektes schon jetzt die Mädchen und Jungen aus den Parallelklassen besser kennen. Die
Reaktionen der Schüler zeigen, dass das Prinzip der Kleingruppe sowie die Inhalte gut ankommen: Den externen Betreuern können sie sich einfacher öffnen als einem Lehrer, den sie schon
seit der fünften Klasse im Unterricht kennen, erklärten die Jungen des Europa-Gymnasiums.
Trotzdem würden die Lehrer im Projekt nicht als typische Autoritätsperson auftreten, sondern ein lockereres Verhältnis zu den Schülern pflegen – denn trotz ernster Inhalte soll den Beteiligten das Projekt in erster Linie Spaß machen. Deshalb unterbrechen Entspannungsübungen auf der Gymnastikmatte die Diskussionen in der Kleingruppe auch immer wieder und sind mit Vertrauensübungen, wie zum Beispiel der Partnermassage verbunden.
Das Konzept der Projektwoche zeigt sich bewährt, immerhin findet sie dieses Jahr schon zum 21. Mal statt.

 

Aus: Soester Anzeiger vom 7.2.19.

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