Spiegelreporter Christoph Reuter stellte sich Fragen der Oberstufenschülerinnen und -schüler

Veröffentlicht am 19. April 2023

Alexander Lange, Warsteiner Anzeiger, 19.04.2023

Am Montagabend im Haus Kupferhammer, am Dienstagmorgen im Forum des Europa-Gymnasiums: Die Fragen, denen sich Christoph Reuter dort stellte, stammten aus dem Sozialwissenschaftskurs von Lehrerin Heike Wolf. Einiges drehte sich um die Reportereinsätze in Afghanistan, vieles aber auch um die Einschätzung der Lage in der Ukraine und den persönlichen Werdegang Reuters. Als Kriegsreporter bezeichne sich der studierte Islamwissenschaftler dabei nicht, sagte er. Wie er trotzdem das Gesehene und Erlebte verarbeite? „Es nimmt mich weniger mit, ich bin vielleicht schmerzfreier“, sagte er. Solch eine Arbeit sei nichts für jedermann, dabei achte er auch auf die Konstellation seines Teams vor Ort, erklärte er den Schülerinnen und Schülern. Ebenso, wann er Schutzkleidung trage und wann nicht. Waffen trage er aber nie, das sei zu gefährlich, das provoziere Konflikte. Doch ein Familien- und Privatleben gebe es auch neben dem teils gefährlichen Berufsalltag: „Und es ist wichtig, dass man Menschen hat, die einem nah sind.“

Ein Vergleich zwischen Afghanistan- und Ukraine-Krieg sei schwierig, die Kriege seien „ganz anders“. Die Ukraine habe eine gewählte Regierung, freie Medien, eine florierende Industrie, dann kam der Krieg. „Wenn die Russen sich aus der Ukraine zurückzögen, wäre dort wieder Ruhe.“ Das sei in Afghanistan anders. Mit dem Ausbruch des Ukraine-Krieges habe er auch niemals gerechnet, „das war ein absoluter Bruch“.

Wie man diesen Krieg lösen könne? Indem die Ukraine mit Waffen und Munition aus Europa unterstützt würde: „Dann merken die russischen Eliten, dass sie nicht gewinnen können. Und dann kann es ernsthafte Verhandlungen geben.“ Denn nach einem russischen Sieg sehe es nicht aus, so Reuter. Auch wenn Russland beziehungsweise in erster Linie Putin gedacht hätte, die Ukraine innerhalb von drei oder vier Tagen eingenommen zu haben.

„Soll die Ukraine Mitglied der EU werden?“ lautete eine weitere Frage des Sozialwissenschaftskurses. „Ja“, sagte Reuter, mit dem Zusatz, kein Experte für Europa-Recht zu sein: „Aber die Ukraine hat gezeigt, dass sie Teil von Europa ist.“ Warum in Europa am Bespiel „Ukrainer und Syrer“ so unterschiedlich mit Flüchtlingen umgegangen werde, war eine weitere Frage. „Das ist unfair, aber es ist die Gesellschaft“, sagte Reuter. Aus Syrien oder auch Afghanistan seien vor allem Männer gekommen, aus der Ukraine vor allem Frauen mit Kindern: „Eine andere Ausgangslage, andere Leute. Aber auch ich finde es schade, dass Leute so unterschiedlich behandelt werden.“

Die Erfahrungen, die er als Kriegsreporter in der Ukraine gemacht habe, seien „unglaublich“. Auch unglaublich anders zu denen in Afghanistan. In der Ukraine könne man beispielsweise mit dem Auto an die Front fahren. Ob es in der Zeit, ob in Afghanistan oder auch der Ukraine, besondere Momente gegeben habe, lautete die Schlussfrage. „Nein“, intervenierte Reuter: „Nicht die Momente sind besonders, sondern die Rechercheergebnisse.“

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