„Jedem das seine.“ Diese menschenverachtenden Worte trafen uns, …

Veröffentlicht am 11. Dezember 2022

Besuch der Gedenkstätte Buchenwald

Ein Bericht von Silja Budde, River Neumann und Lea Schorstein (Q1).

Im November besuchten wir mit einer Gruppe freiwilliger Schüler und Schülerinnen der Jahrgangsstufe Q1 des Europa-Gymnasiums Warstein die Gedenkstätte Buchenwald bei Weimar.

Am Mittwoch ging unsere Reise mit circa 50 Teilnehmern mit dem Bus in Richtung Buchenwald los. Auf der Fahrt wurde viel überlegt, was uns erwarten würde, denn wir alle hatten schon einmal im Geschichtsunterricht über die schrecklichen Geschehnisse in den Konzentrationslagern aus dem zweiten Weltkrieg gehört, ein solches aber mit eigenen Augen zu sehen und durch das Lager zu gehen, in welchem tausende Häftlinge gefangen und getötet wurden, war eine ganz andere Sache.

Neugierig stiegen wir also nach einer angenehmen Fahrt aus dem Bus und wurden vor Ort erst  einmal auf unsere Zimmer aufgeteilt und dann zum Essen geschickt. Nachdem diese organisatorischen Dinge erledigt waren, begann unser Programm, für das wir in zwei Gruppen geteilt wurden.

Meine Gruppe traf sich am Mittwochnachmittag mit Herrn Helmut Rook. Helmut hatte seine ganze Berufszeit in Buchenwald verbracht und ist eigentlich schon in Rente, doch kam er für uns noch einmal zurück.

Helmut stieg in das Thema ein, indem er uns Luftaufnahmen des Lagers zeigte und erklärte, welche Teile heute noch zu sehen sind und welche von den Alliierten damals zerbombt wurden. Er erklärte uns auch, dass die Gebäude, in denen wir schliefen, ehemalige SS-Kasernen gewesen waren, in denen junge Männer zu SS-Angestellten ausgebildet wurden.

Nachdem wir also eine grobe Orientierung über das Lager bekommen hatten, ging Helmut mit uns hinaus und zeigte uns verschiedene Orte. Er stellte vorab klar, dass all die Gebäude in Buchenwald samt der Straßen in den Anfangsjahren unter Schwerstarbeit von den Häftlingen erbaut wurden. Uns wurde erst im späteren Verlauf klar, wie umfassend das Gelände ist und wie schwer die Arbeit der Häftlinge gewesen sein muss.

Zuerst führte er uns zu dem von Häftlingen erbauten Bahnsteig. Uns wurde die Bedeutung der Zugverbindungen zwischen den Konzentrationslagern erklärt und dazu mehrere Beispiele von verfrachteten Häftlingen erzählt.

Wir gingen dann die Straße entlang, die die Häftlinge damals auch beschreiten mussten. Die Straße, die sie gingen, hieß „Karacho-Weg“, aus dem Grund, dass die Häftlinge beschimpft, getreten, geschlagen oder von Hunden gebissen, möglichst schnell über diesen Weg getrieben wurden, um in das eigentliche Häftlingslager zu gelangen. Entlang des Karacho-Weges waren Tankstellen und die Hauptzentrale des Lagers zu finden. In der Zentrale, in welcher der Hauptkommandant über alle Geschehnisse seines Lagers Bescheid wusste.

Am Ende des Karacho-Weges bot sich uns dann ein Blick, welcher uns den Atem raubte. Wir blickten auf den Eingang des Häftlingslagers von Buchenwald. Der rote Wachturm, dessen Uhr immer noch auf der Uhrzeit der Befreiung ruhte und darunter das Eisentor mit der Aufschrift: „Jedem das seine.“ Diese menschenverachtenden Worte trafen uns, als wir unsere Blicke über den großen Schotterplatz schweifen ließen, welche durch seine Senkung einen Blick auf den Horizont freigab, welcher durch den Sonnenuntergang rot-orange gefärbt war. Dieser Anblick wird – glaube ich – bei vielen von uns bleiben. Es ist beinahe unmöglich sich vorzustellen, dass an genau derselben Stelle Jahre zuvor unschuldige Menschen massenhaft ihr Leben verloren.

Mit diesen Gedanken und weiteren Informationen zum Gelände entließ uns Helmut und gab uns die Möglichkeit das gesamte Gelände einmal selber zu erkunden.

Auch der zweite Teil von uns Schülern traf sich nach der Zimmeraufteilung mit unserem Gruppenleiter Jan Malecha, welcher uns nach unseren Vorkenntnissen, Erfahrungen und Vorstellungen zu Buchenwald und dem Nationalsozialismus befragte. Als Antworten wurden verschiedenste Bücher, Dokumentationen und Filme genannt. Ebenfalls versuchten wir die Grausamkeit und das Leid zu beschreiben und erzählten von unseren Vorkenntnissen aus dem Unterricht.

Daraufhin machten auch wir uns auf den Weg zum Lager und schauten uns zuerst in Kleingruppen das Gelände an. Wir sammelten durch Informationsschilder erste Erkenntnisse über die Funktion der unterschiedlichen Gebäude. Ebenfalls entwickelten wir eine erste Vorstellung von dem Alltag  der Häftlinge im Lager und mit welchen lebensunwürdigen Bedingungen sie Tag für Tag zu kämpfen hatten.

Nachdem wir uns etwas umgesehen hatten, trafen wir uns mit Jan in dem linken Teil des Torgebäudes um Fragen zu klären und weitere Informationen zu Häftlingen, der Arbeitsweise der SS und  den verschiedenen Funktionen der Gebäude zu erhalten. An unserem Treffpunkt befandet sich ein Modell des Lagergeländes, aus DDR-Zeiten, welches den originalen Aufbau des Lagers zeigte, da heute nur noch wenige der originalen Gebäude erhalten sind. Wir erfuhren, warum das sogenannte Lager-Bordell, welches von höhergestellten, meist politischen Häftlingen, also auch Kommunisten, als Belohnung für gute Arbeit besucht werden konnte und wurde, bewusst nicht in das Modell eingefügt wurde.

Anschließend haben wir uns erneut auf das Lagergelände begeben, um uns eines der Denkmäler, welches an die ehemaligen Häftlinge erinnert, genauer anzusehen. Das Denkmal, was dort heute zu finden ist, ist an der Stelle gebaut worden, an welcher die ehemaligen Häftlinge kurze Zeit nach ihrer Befreiung ein großes Tetraeder, beschriftet mit den damals bekannten Nationen und Haftungsgründen der Insassen, aufgestellt hatten um dort dafür einzustehen, dass das, was ihnen passiert ist, nie wieder passiert sollte.

Heutzutage findet man dort noch eine Metallplatte die, schaut man von oben herab, an die Form des Tetraeders erinnert und durchgängig auf etwa 36 bis 37 Grad Celsius, also die menschliche Körpertemperatur erhitzt wird. Auch hier stehen ebenfalls die verschiedenen Nationen der ehemaligen Häftlinge, doch die Temperatur des Denkmals soll zeigen, dass wir alle zunächst einmal Menschen sind, ganz egal von wo wir kommen.

Bevor wir uns zu unserem Abendessen begaben und danach einer frei wählbaren Abendbeschäftigung nachgegangen sind, haben wir uns zum ca. zehn Meter vom Stacheldrahtzaun entfernten Bärengehege begeben, das zum ehemaligen Zoo gehörte, welcher der Belustigung der SS-Mitglieder und ihrer Familien diente.

Nach dem Abendessen gab es an beiden Abenden noch allerlei freiwillige Angebote: Das Anschauen einer Dokumentation, am ersten Tag war es der Film „Hitlers Weimar“, am zweiten eine Dokumentation über die gesamte Zeit der Benutzung Buchenwalds als KZ, in der auch ehemalige Häftlinge von ihren Erfahrungen berichteten. Weitere Möglichkeiten waren ein Sportraum, eine Kreativwerkstatt oder das weitere Forschen an spezifischen Themen zu  Buchenwald.

 

Am nächsten Morgen trafen wir uns mit Helmut vor dem Tor des Häftlingslagers. Anschließend bekamen wir einen Einblick in die Strafzellen des Konzentrationslagers, wo Menschen untergebracht wurden, welche auch nur kleinste Vergehen aus der Sicht der SS-Angestellten begangen hatten. Viele kamen dort ums Leben.

Nachdem auch wir uns den ehemaligen Tierpark der Anlage angesehen hatten, ging es für uns anschließend zum Krankenlager und Helmut erzählte und zeigte uns Dinge, die dort geschehen und gefunden worden waren. Auch von den medizinischen Experimenten an Häftlingen berichtete er uns, bis er uns zum Kleinen Lager führte.

Das Kleine Lager erschütterte uns aufgrund seiner Grausamkeit besonders, denn Helmut machte uns die katastrophalen hygienischen Zustände und die Umgangsweise mit den Häftlingen klar. Er zeigte uns Fotos und Geschichten von Überlebenden und Opfern.

Am Donnerstagnachmittag führte Helmut uns zum Museum in einem der original Häuser. Dort erwartete uns eine detaillierte, ausführliche und informierende Ausstellung.

Als letztes besuchten wir das Krematorium, während Helmut uns sachlich von den einzelnen Räumen darstellte. Er erklärte die Geschehnisse innerhalb der Pathologie und die Vorgehensweise der SS in der Vertuschung etlicher Morde. Dazu gehörte ein Raum, voller Gedenktafeln und Kerzen von Angehörigen, bevor wir dann in den Raum mit den Öfen gingen. Hier war uns die Betroffenheit deutlich anzumerken, denn niemand sagte ein Wort, als Helmut erklärte, was hier passiert war, und dazu Fakten nannte. Diese Stimmung hielt an, als er uns durch das nachgebaute Modell der Genickschussanlage führte und versuchte, die Brutalität der SS zu zeigen. An dieser Stelle wurden wir in den Abend entlassen.

 

Jan Malechas Gruppe begab sich am Donnerstagmorgen zunächst zum Steinbruch. Hier erfuhren wir, dass an diesem Ort die härtesten Arbeiten verrichtet werden mussten. Hauptsächlich schufteten hier die am niedrigsten gestellten Häftlinge, dazu zählten beispielsweise die Juden. Auch Neuankömmlinge wurden zunächst in den Steinbruch geschickt, um zu erfahren, wie hart es werden konnte.

Auf dem weiteren Weg zum KZ liefen wir am ehemaligen Pferdestall vorbei, indem sich zu Kriegszeiten die originale Genickschussanlage befand und tausende sowjetische Kriegsgefangende hingerichtet wurden.

Folgend sahen auch wir uns nun die Einzelzellen im Torgebäude, sowie das Krematorium an und erhielten auch wieder haufenweise neue Informationen.

Danach ging es für uns in eine Gruppenarbeitsphase, in der vier Personen sich in die Restaurierungswerkstatt begaben und alle anderen sich auch mit speziellen Themen auseinander setzen konnten. Einige dieser Themen waren zum Beispiel die Frauen in Buchenwald, das Leben einzelner Personen vor, während und eventuell nach der Inhaftierung, sowie originale Befehle von SS Kommandanten.

Am Nachmittag ging es dann auch für uns alle in die Ausstellung, die einen chronologisch durch die Entwicklung des Lagers führt. Man erfährt etwas über den Aufbau durch Häftlinge von außerhalb, die erste Nutzung, den Mangel an allem der immer größer wurde, weiter Ausbauprojekte, Massenmorde und zum Schluss die Befreiung.

Bevor wir in das ähnliche Abendprogramm wie am Vortag starten konnten, haben wir uns noch zu der Stelle an der das Lager Bordell war begeben, indem 17 Frauen zur Belohnung der höher gestellten Häftlinge als Prostituierte arbeiten mussten. Und sind anschließend zu dem benachbarten Medizin Trakt gegangen, wo die einzige erhaltene Baracke steht. Während der Besichtigung dieser Baracke erfuhren wir mehr über den Widerstand im Lager, der gerade im Medizin-Komplex sowie der Cafeteria, in deren Keller Waffen gebaut wurden, besonders groß war.

Am nächsten Morgen besprachen wir die Befreiung des Lagers und gingen gemeinsam zum Denkmal ein wenig außerhalb. Auf dem Weg kamen wir an den Resten der ehemaligen Villen der SS Kommandanten vorbei, welche sich am anderen, am windgeschützteren Hang befanden.

Dort erklärte man uns die Idee hinter den Denkmälern, zeigte uns die Gräber und ging mit uns den Turm hinauf, welcher Sicht in alle Richtungen ermöglichte. Der Turm hat eine Höhe von 50 Metern, ein Meter für je tausend Tote, so viele wie man zur Erbauung annahm, heute weiß man allerdings, dass noch etwa sechs Meter fehlen.

 

Zusammenfassend kann man sagen, dass diese Fahrt eine sehr bereichernde und wichtige war. Alle Schüler und Schülerinnen gingen mit einer ganz neuen Sichtweise auf die Geschehnisse der Zeit der Nazi-Herrschaft nach Hause und können vielleicht nun mehr begreifen, was geschehen war. Dies war eine wichtige Fahrt, um zu lernen, was nie wieder passieren darf.

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