Lena Weinstock aus Klasse 9c hat uns ihre Erfahrungen und Erlebnisse vom diesjährigen Frankreichaustausch in einem ausführlichen Bericht zusammengefasst.
Freitag
Unsere Reise nach Nordfrankreich startete am 12. April 2024 um 8 Uhr, als unser Bus von der Bushaltestelle des Gymnasiums abfuhr. Vor uns stand eine 10-stündige Reise, welche uns zu unserem Ziel, Saint Pol sur Ternoise, führen sollte. Diese französische Stadt mit etwas mehr als 10.000 Einwohnern liegt in der Region Hauts-de-France und ist mit dem Zug nur zwei Stunden von der Hauptstadt Paris entfernt. Die Busfahrt verlief ohne Staus, sodass wir noch einen spontanen Zwischenstopp in Lille machen konnten. Wir durften hier eine Stunde lang die Innenstadt erkunden. Besonders das große Einkaufszentrum „Euralille“ hat vielen Austauschschülern gefallen, aber auch die Altstadt und der Theaterplatz sind sehenswert.
Nach einer weiteren Stunde Busfahrt war es dann endlich so weit. Wir hatten unser Ziel erreicht und sahen unsere französischen Corres zum ersten Mal nach vier Monaten wieder. Nun ging es für das Wochenende in die Gastfamilien. Wir lernten auf diese Weise die Region und die französische Lebensweise besser kennen.
Wochenende
Am ersten Abend gab es für mich vor dem Essen einen typischen „Aperitif“ (salzige Kleinigkeiten und ein Getränk), um den Appetit anzuregen und auf die bevorstehende Mahlzeit einzustimmen. Am nächsten Morgen haben wir typisch französisch mit Croissants und Baguette gefrühstückt und draußen im hauseigenen Garten und im nahegelegenen Wald das schöne Wetter genossen. Nachmittags habe ich dann die Schwester meiner Austauschschülerin zu ihrer Reitstunde begleitet. Abends habe ich mit meiner Austauschpartnerin noch das Theaterstück „Ruy Blas“ von Victor Hugo geschaut, da sie dieses für den Französischunterricht gelesen haben musste. Sonntag sind meine Gastfamilie und ich zur „Baie de laSomme“, der schönsten Bucht der Picardie, gefahren, um uns das Meer bei gutem Wetter anzuschauen und in einem Restaurant direkt an der Strandpromenade mit Blick auf das Wasser zu Mittag zu essen.
Montag
Unser erster Programmtag startete zusammen mit den anderen Austauschschülern in der Schule, wo wir gemeinsam gefrühstückt haben. Wir haben uns über unsere ersten Eindrücke ausgetauscht und über lustige Missverständnisse, welche über das Wochenende zustande gekommen waren, gelacht. Wir haben auch erfahren, was die anderen an diesem Wochenende alles erlebt haben. Viele sind ans Meer gefahren und am Strand spazieren gegangen. Einige waren sogar in Paris, um die Hauptstadt zu besuchen.
Nachher sind wir mit unseren Corres zusammen in den Unterricht gegangen, um zu sehen, wie dieser eigentlich in Frankreich aussieht. Dabei fiel auf, wie sehr sich dieser vom Unterricht in Deutschland unterscheidet. Generell werden in Frankreich viel mehr Tests und Arbeiten geschrieben und auch die eigentliche Lehrmethode ist anders. Im Mathematik-Unterricht wurde deutlich, dass viel mehr Aufgaben als Klasse gerechnet und von einzelnen Schülern an der Tafel erklärt werden. Die Schule hier ist auch viel größer als unser Gebäude in Warstein. Auf den ersten Blick wirkt es, als könnte man sich sehr schnell in den vielen Gängen verlaufen. Ohne Hilfe der französischen Corres wäre dies sicherlich auch das eine oder andere Mal der Fall gewesen.
Nach mehreren Stunden Unterricht haben wir mit einer kleinen Gruppe in der Kantine gegessen, welche sehr leckeres Essen angeboten hat.
Danach ging es für uns Deutsche in das Museum d’Azincourt, welches den 100-jährigen Krieg zwischen englischen und französischen Adelsfamilien behandelt. Dort haben wir viel über den Ablauf des Krieges und der großen, ausschlaggebenden Schlacht in Azincourt erfahren. Dabei wurden auch die Lebensweise und die Religion als Mittelpunkt der Gesellschaft im Mittelalter thematisiert. Dazwischen durften wir uns mit dem Bogenschießen vertraut machen, welches während der Schlacht schlussendlich zum Sieg der Engländer geführt hat. Diese etwas praktischere Aktivität hat den meisten sehr viel Freude bereitet!
Gegen 18 Uhr sind wir wieder zurück an der Schule gewesen, wo unsere Austauschpartner bereits auf uns gewartet haben. Die meisten hatten spätestens um 17:30 Uhr Schulschluss, da die allermeisten Schulen in Frankreich Ganztagsschulen sind. Von dort aus sind die meisten von uns dann mit dem Bus nach Hause gefahren.
Abends ist aufgefallen, wie alltägliche Handlungen in Frankreich um zwei bis drei Stunden später verschoben sind. Beispielsweise ist es üblich, erst gegen 20/21 Uhr zu essen, etwas, was in Deutschland nur selten der Fall ist.
Dienstag
Dienstag ging es für die Franzosen morgens in den Unterricht, während wir Deutschen ein Planetarium und die V2–Raketenstation, die sogenannte „Coupole“, in Helfaut bei Saint– Omer besichtigt haben. Dieser riesige Bunker wurde ursprünglich im Zweiten Weltkrieg von den Deutschen errichtet, um Raketenkörper auf Großbritannien abschiessen zu können. Durch den Beschuss der Alliierten wurde das Projekt aber nie abgeschlossen. Heutzutage wird das Gebäude als Museum und Gedenkstätte genutzt. Viele russische Zwangsarbeiter haben an diesem Bauvorhaben gearbeitet und gelitten.
Bevor wir uns das Museum näher angeschaut haben, haben wir uns im Planetarium einen Film zum D-Day (Decision-Day) angeschaut. Dies war der 6. Juni 1944, als die Alliierten die Küsten der Normandie erobert und somit Teile Frankreichs befreit haben.
Das Museum selbst war viel zu groß, um uns alles anschauen zu können. Wir konnten aber alle viel von diesem Besuch mitnehmen.
Nachmittags sind wir zurück zur Schule gefahren, wo wir uns das sogenannte „Springfest“ angeschaut haben. Verschiedene Schüler der Schule, der Chor eines nahegelegenen Colleges (Mittelstufe) und eine Lehrerband haben drei Stunden lang verschiedene Lieder, Gedichte und Musikstücke vorgetragen. Auch ein Beatboxing Freestyle war dabei.
Mittwoch
Pünktlich um acht sind wir am Mittwoch mit den Franzosen zusammen mit dem Bus von der Schule aus abgefahren. Ziel waren die „Hortionages von Amiens“, kleine Kanäle, die im Mittelalter zur Bewässerung von Parzellen künstlich angelegt worden waren. Heute gehören die meisten Grundstücke Privatpersonen, welche dort kleine Gärten und Wochenendhäuschen gebaut haben. Das Wetter war am Anfang der 45-minütigen Bootstour sehr schön, etwas, dass sich aber schnell änderte. Trotzdem war dieser Ausflug sehr interessant, da wir viele Tiere und Pflanzen gesehen haben.
Etwas später ging es für uns in die Innenstadt, um uns erst die Kathedrale und dann das Zentrum anzuschauen. Leider hat es auf dem Weg dahin angefangen in Strömen zu regnen und zu hageln, sodass wir alle ziemlich nass geworden sind. Zum Glück war dieser Schauer schnell vorüber und wir konnten uns die imposante Kirche ansehen, welche zu den größten Europas gehört. Sie wurde schon im Mittelalter gebaut und brauchte über 300 Jahre, um fertiggestellt zu werden. Durch ein Wunder wurde sie während des zweiten Weltkrieges weder durch die Alliierten noch durch die Deutschen getroffen, sodass sie ohne größere Schäden bis heute steht. Zahlreiche Priester und wichtige kirchliche Persönlichkeiten sind seit dem Mittelalter dort begraben worden.
Die Sonne strahlte wieder, als wir gruppenweise einen Teil des Zentrums erkunden durften. Wir hatten etwas mehr als eine Stunde Zeit, um uns in den verschiedenen Geschäften umzusehen.
Den Nachmittag verbrachten wir im stadteigenen Zoo, welcher viele verschiedene Tierarten beherbergt. Eineinhalb Stunden lang durften wir den Zoo selbstständig besuchen. Ein paar von uns hatten das Glück, zufällig ein kommentiertes Seelöwen-Training zu sehen. Dabei übte die junge Seelöwendame Lila Kunststücke ein. Wir durften applaudieren, da Seelöwen sehr intelligent sind und dadurch verstehen, dass sie etwas gut gemacht haben. Die Tierpflegerin hat uns aber auch gewarnt, dass wir nicht bei lustigen Fehlversuchen oder Dummheiten applaudieren sollten, da Lila diese sonst als richtig interpretiert.
Nach diesem sehr ereignisreichen Tag ging es für uns wieder zurück zur Schule, bevor wir von dort aus in die jeweiligen Dörfer unserer französischen Austauschpartnerinnen und Austauschpartner zurück gefahren sind.
Donnerstag
Donnerstag startete unser letzter Programmtag, welcher uns nach Boulogne-sur-Mer, einer Hafenstadt an der Côte d’Opale bzw. dem Ärmelkanal, führte. In Kleingruppen haben wir dort an einer Schnitzeljagd teilgenommen, welche uns durch die Straßen und Gassen der Stadt führte. Dabei haben wir zusammen die Streetart-Szene entdeckt und viele schöne Kunstwerke gesehen.
Um 11 Uhr ging es für uns nach Bessant, einer kleinen Stadt mit einer sehr bekannten Schokoladenfabrik. Diese durften wir näher kennenlernen und erkunden. Ein französischer Chocolatier hat uns eine gute Dreiviertelstunde lang in die Welt der Schokolade eingeführt. Wir konnten das Prozedere von der Kakaobohne bis hin zur fertigen Schokoladentafel genau mitverfolgen und durften zum Schluss selbst probieren. Während des Besuchs haben wir viel über die beliebte Süßigkeit erfahren und unseren Geschmack an guter Schokolade gefunden. Diese wird in Bessant unter strengster Qualitätskontrolle handgemacht. Schon im Dezember beginnt die Herstellung von Osterhasen. Im vergangenen Jahr wurden ganze 40.000 verkauft. Schön zu wissen ist auch, dass diese Schokoladenfabrik zu den wenigen gehört, die über eigene Plantagen in Ecuador verfügt, um die Qualität ihrer Produkte zu garantieren.
Als Abschluss dieser Programmwoche fuhren wir anschließend noch nach Le Touquet-Paris-Plage, einem charmanten und eleganten Badeort in der Nähe von Boulogne. Dort hatten wir etwas mehr als eine Stunde Zeit, um uns das Meer und eine kleine Einkaufsstraße anzuschauen. Besonders mutige unter uns Austauschschülern wagten sogar unter der Aufsicht von Frau Marx einen kleinen Sprung ins kalte Nass. Dabei war das Meer an diesem Tag keine 15 Grad warm.
Die meisten unter uns schauten sich aber das Ferienhaus des französischen Präsidenten Emanuel Macron und seiner Frau Brigitte an, welches am Ende der kleinen Einkaufsstraße liegt. Unter strengster Überwachung konnten wir einen kurzen Blick auf das Haus werfen. Auch die Einkaufsstraße war bei vielen beliebt, da wir dort unsere letzten Mitbringsel für unsere Familien kaufen konnten.
Dieser schöne Tag war auch irgendwann vorbei und es wurde Zeit, wieder zurück nach St. Pol zu fahren. Bei unseren Gastfamilien warteten schon unsere ungepackten Koffer, welche nun schwerer als bei der Hinfahrt gefüllt werden mussten. Auch von unseren Gastfamilien mussten wir uns teilweise verabschieden, da es in vielen Fällen so war, dass wir Familienmitglieder am nächsten Tag nicht mehr sehen würden.
So verbrachten wir unseren letzten Abend in Frankreich lachend und schon etwas melancholisch, rückblickend auf diese so ereignisreiche Woche. Etwas gestresst waren wir am Packen, und versuchten, ja nichts Wichtiges zu vergessen.
Freitag
So wie es kommen musste, war die Woche sehr schnell herum und es wurde Zeit, sich endgültig zu verabschieden. Um acht Uhr befüllten wir den Kofferraum des Busses mit unserem Gepäck und verbrachten die letzten gemeinsamen Minuten mit unseren französischen Austauschpartnern. Der Abschied viel den meisten schwer, sodass nicht wenige Tränen anfingen zu fließen. Man versprach sich, in Kontakt zu bleiben und so bald wie möglich wieder etwas gemeinsam zu unternehmen.
Mit Tränen in den Augen und vielen guten und lustigen Erinnerungen fuhren wir Richtung Warstein los, mit dem Wissen, dass wir dieses Abenteuer nie wieder vergessen werden.
Lena Weinstock
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