Auf die „Spuren des Holocausts“ begeben

Veröffentlicht am 19. März 2019

Warsteiner Gymnasiasten gestalten Ausstellung

Konzentrations- und Vernichtungslager, Gaskammern, Massengräber, Krematorien, Ghettos: „Wir haben schreckliche Eindrücke gesammelt“, resümiert Keno Haferkemper die einwöchige „Gedenkstättenfahrt der Stufe Q2 des Europa-Gymnasiums Warstein Anfang Januar nach Ostpolen. Was die 36 Schülerinnen und Schüler dort auf den „Spuren des Holocausts“ in Lublin, Majdanek, Belzec, Zamosc und Izbica gesehen und erlebt haben, das präsentieren sie seit Sonntag und noch bis Ende April in einer eindrucksvollen Ausstellung im Haus Kupferhammer.

Christian Clewing, Warsteiner Anzeiger, 19.3.2019

Die Teilnahme an der Fahrt sei eine „großartige Chance“ gewesen, blickte Schülerin Kathrin Funk in ihrer Begrüßungsrede zurück, erinnerte an die vielen besuchten Stätten, an die Gespräche mit und Informationen „durch Einheimische aus erster Hand“ sowie an die Gedenkfeier zum Abschluss direkt am Mahnmal des Konzentrationslagers Majdanek. „Wir haben aus dieser Fahrt sehr viel mitgenommen“, erklärte sie stellvertretend für ihre Mitschülerinnen und Mitschüler. Dass man aber auch „sehr viel Positives“ mitgenommen und „ein ganz anderes Land kennengelernt“ habe, ergänzte Keno Haferkemper. „Was nehme ich mit?“, fragte er sich – „wir sind jetzt alle auch Zeitzeugen geworden“ – selbst vor den gut 110 Besuchern im Festsaal des Hauses Kupferhammer. Zuallererst sei da „eine gewisse Dankbarkeit“ darüber, „dass wir nicht in Furcht leben müssen, sondern in Freiheit leben dürfen“. Die Fahrt habe ihm verdeutlicht, „Respekt ist wichtig – egal welcher Herkunft, Ansicht, Hautfarbe oder Religion“. „Keiner dieser Gründe kann jemandem die Menschlichkeit und die Würde nehmen“, so Keno Haferkemper. Dass genau diese Entmenschlichung, diese Entwürdigung aber das Prinzip der deutschen Besatzer in Ostpolen war, hatten die Schülerinnen und Schüler bei der Fahrt erfahren müssen. Menschen wurden zur Ware, der man sich möglichst schnell entledigen wollte: „Diese enorme Effektivität beim industriellen Massenmord ist unvorstellbar“, so Lehrerin Susanne Quint in ihrer Ausstellungseinführung.

Viele Exponate haben die Schülerinnen und Schüler für die Ausstellung eigens gestaltet.

Eine besondere Rolle bei der Umsetzung des Massenmords spielte damals die Region um Lublin, daher habe man bewusst diesmal nicht Auschwitz als Ziel der Gedenkstättenfahrt ausgesucht, sondern gezielt die „vergessenen Orte“ angesteuert. „Von hier aus wurde die mörderische Arbeit der Vernichtungslager in Belzec, Sobibor und Treblinka gesteuert. Hier befanden sich die Magazine, in denen das geraubte Eigentum der Opfer gelagert und nach Deutschland gebracht wurde. Und schließlich entstand hier eines der größten je durch das Naziregime errichteten Konzentrationslager: Majdanek.“ Susanne Quint weiter: „Wir haben die Gaskammern gesehen, die Massengräber, das Krematorium. Wir haben von den unmenschlichen Lebens- und Arbeitsbedingungen und von den Massenerschießungen im Rahmen der Aktion „Erntefest“, die größe Exekution währen des gesamten 2. Weltkriegs, gehört. Wir haben den unwirklich erscheinenden Ort Belzec aufgesucht. Ein reines Vernichtungslager, in dem innerhalb von zehn Monaten 430 000 Juden massenweise vernichtet wurden. Mit Izbica als Ghetto und Lublin als Planungszentrum bot unsere Fahrt einen Einblick in die Planung, Logistik und Durchführung des Holocausts.“ Das alles hinterließ bei den Fahrtteilnehmern Spuren: „Wir waren oft sprachlos, fassungslos.“

In den zurückliegenden zwei Monaten nach der Fahrt haben die Schülerinnen und Schüler ihre Erlebnisse, ihre Eindrücke aufgearbeitet und verarbeitet: zu Plakaten, zu Präsentationen, zu Exponaten. Am Sonntag standen sie ihren Eltern, Verwandten und weiteren Interessierten Rede und Antwort, berichteten aus erster Hand. Dass diese Auseinandersetzung mit dem Thema wichtig ist, unterstrich Ferdinand Lürbke als Vorstandsmitglied der Kupferhammerfreunde. Zwar werde oft die Frage gestellt, ob man nicht endlich einen Schlussstrich unter das Vergangene ziehen könne, „zumal wir doch keine Schuld an den Verbrechen tragen, die damals im Namen des deutschen Volkes millionenfach begangen wurden“. Zu diesen Taten gehöre auch die Ermordung russischer Zwangsarbeiter in Warstein im März 1945, die nach wie vor für viele offene Fragen sorge. Die könne man heute nicht mehr alle beantworten, aber zumindest einige so wie die Schüler mit ihrer Ausstellung. Und man könne noch etwas: „Wir können den Opfern nicht ihr Leben, ihre Familien, ihre Kinder, ihre Freunde oder Verwandten zurückgeben. Gewiss tragen wir heute keine Schuld an diesen Verbrechen, aber sind wir es den Opfern nicht schuldig, die Verantwortung zu übernehmen, sie nicht aus der Erinnerung zu streichen und ihnen damit zumindest ihre Würde zurückzugeben?“

 

Dokumentation der Gedenkstättenfahrt in Bildern …

 

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